Ich lernte meinen Freund über Tinder kennen. Beim ersten Date verstanden wir uns auf Anhieb und mir war von Beginn an klar, dass er etwas ganz Besonderes ist. Nach einer Woche, am 16. September, kamen wir zusammen. Zu diesem Zeitpunkt wohnten wir 70 Kilometer voneinander entfernt. Wir sahen uns jedes Wochenende und lernten nach und nach unsere Familien kennen. Alles war wunderbar bis zum 20. November.
An diesem Tag kippte meine Mutter beim Weihnachtseinkauf um. Sie hatte es noch geschafft, mich anzurufen. „Mama, mach dir keine Sorgen. Wenn ich weiß, in welches Krankenhaus du kommst, bin ich sofort da und sage allen Bescheid.“ Ich wusste nicht, dass dies die letzten Worte sein sollten, die ich zu ihr sagte. Nach einem Anruf an meinen Freund war dieser mit meinen Geschwistern sofort zur Stelle.
Meine Mutter musste notoperiert werden. Nach acht Stunden, um drei Uhr nachts, bekamen wir den Anruf, dass die Operation unterbrochen werden musste, da meine Mutter bereits zu schwach war. Sie wurde ins künstliche Koma versetzt und auf die herzchirurgische Intensivstation gebracht.
Ich war zu dem Zeitpunkt 19 Jahre alt, gerade mit dem Abi fertig, und wohnte mit meiner Mama zusammen. Ich wollte Jura studieren. Sie war nicht nur meine Mutter, sondern auch meine beste Freundin.
Das erste Mal, als ich meine Mutter im Koma sah, kam mein Freund mit. Er wartete vor der Station. Es war so schwer meine Mama so zu sehen. Ich wusste nicht, dass man so viel Schmerz, Leid und Trauer fühlen kann. Nach diesem schweren Besuch musste ich mit meinem Freund sprechen. Ich verstand, dass egal, wie sich der Zustand meiner Mutter entwickeln würde, uns eine schwere Zeit bevorstand. Ich wollte von meinem Freund wissen, ob er bereit war, diesen Weg gemeinsam mit mir zu gehen – meinen Weg als pflegende oder trauernde Tochter. Ich zwang ihn nicht, diese Zeit mit mir durchzustehen. Ich wäre ihm nicht böse gewesen, wenn er beschlossen hätte, zu gehen. So viel Schmerz, den ich aufgrund meiner Mutter verspürte, hätte den Schmerz einer Trennung, so hart es klingen auch mag, betäubt. Mein Freund fing an zu weinen und sagte „Es tut mir sehr weh, dich so leiden zu sehen. Ich werde dich nicht alleine lassen und wir werden das durchstehen.“
Am 25. November 2014 verlor meine Mutter ihren schweren und kurzen Kampf. Sie starb im Kreise ihrer Liebsten – ihren Freunden und ihrer Familie.
Meine Mama ist meine Heldin und mein Freund ist mein Engel. Ohne ihn hätte ich es nicht geschafft, so schnell eine Ausbildung zu beginnen oder gar heute Jura zu studieren. Meine Familie, meine Freunde und vor allem die Freunde meiner Mutter haben mich bei allem unterstützt.
Ich glaube, dass Gott (oder wer auch immer dort oben alles regelt), Menschen zu gewissen Zeitpunkten in dein Leben schickt, um schwere Zeiten zu überstehen. Heute, fast vier Jahre nach dem Tod meiner Mama, wohnen mein damaliger und jetziger Freund und ich zusammen. Ich kann mir keinen anderen Menschen an meiner Seite vorstellen. Meine Liebe für ihn ist unbeschreiblich und ich bin dankbar, dass er bei jedem Zusammenbruch, bei jedem Tränen- oder Wutanfall, jedem Muttertag, Todestag, ihrem oder meinem Geburtstag an meiner Seite steht. Immer wenn die Trauer mich überfällt, ist er für mich da.
Er ist mein persönlicher Engel. Danke, dass es dich gibt!