Als mein Auslandssemester in Peru begann, hatte ich einen Freund. Diese Beziehung stand jedoch kurz vor dem aus. Wir hatten keine Gefühle mehr füreinander. Doch wie es oft so ist, möchte man nach drei gemeinsamen Jahren nicht alles sofort aufgeben.
Ich traf Miguel an meinem ersten Tag in Lima. Meine Freundin und ich klopften an einem Montagabend an die Tür des Pepper’s Hostels. Als sich die Tür öffnete, stand er da. Miguel stellte sich als Besitzer des Hostels, welches wir für die erste Woche unseres Aufenthaltes gebucht hatten, heraus.
Mir gefiel Miguel von Anfang an. Ich mochte die Art, wie er sich kleidete. Ich mochte die Art, wie er sprach. Ich war von seinen Tattoos fasziniert. Und ich mochte das Geheimnisvolle an ihm. Diese Gefühle veranlassten mich schließlich, die Beziehung mit meinem Freund zu beenden. Zu diesem Zeitpunkt hätte ich nie gedacht, dass sich etwas Ernstes mit Miguel entwickeln würde – niemals.
Es dauerte nicht lange und ich erkannte, dass Miguel ein kleiner “Don Juan” war. Ich sah mich als eine von vielen. Trotzdem war ich für das Abenteuer bereit und wollte mehr. Wir fingen an, öfters auszugehen, trafen uns in der Nacht, kochten füreinander, hatten intensive Gespräche, hingen rum, neckten uns gegenseitig auf Facebook. So ging es weiter bis zu einer Nacht in einem Club. Als ich mich dort länger mit einem seiner Freunde unterhielt, verschwand er wortlos aus dem Club. Als ich das bemerkte, verließ auch ich völlig verärgert und enttäuscht den Club. Tränen liefen mir über mein Gesicht.
Zurück in meiner Wohnung hörte ich etwas an meinem Fenster. „Klack“. Und wieder. „Klack“. Ich zog die Rollläden hoch und sah hinunter auf die Straße. Da war er. Er warf Steine auf mein Fenster und hoffte, dass ich runterkommen würde. Als ich unten angekommen war, brach Miguel in Tränen aus und sagte: „Ich will, dass du zu mir gehörst!“
Heute sind wir verheiratet und leben glücklich zusammen in Österreich. Das Bild zeigt eine peruanische Cholita in Wien. Miguel hat es für unsere gemeinsame Wohnung gemalt.
Manchmal philosophieren Miguel und ich darüber, wie wir uns finden konnten, da wir unser ganzes Leben so weit voneinander entfernt lebten. Miguel sagt, dass jeder eine Art Gegenpol in der Welt hat. Sie bewegen sich auf gegenüberliegenden Seiten der Erde, bis sie eines Tages wie Magnete zusammentreffen. Das denke ich auch.